“Es ist also auch dies vor allen Dingen notwendig und heilsam für
den Christen, zu wissen, daß Gott nichts zufällig vorherweiß,
sondern daß er alles mit unwandelbarem, ewigem und unfehlbarem Willen
sowohl vorhersieht, sich vornimmt und ausführt. Durch diesen Donnerschlag
wird der freie Wille zu Boden gestreckt und ganz und gar zermalmt. Deshalb
müssen die, welche den freien Willen wollen behauptet haben, diese
schlagende Erkenntnis entweder verneinen oder verleugnen oder auf irgendeine
andere Weise von sich schaffen.”
[...]
“ ...Der andere Grund ist es, daß der Glaube es mit den unsichtbaren
Dingen zu tun hat (Hebr. 11, 1). Damit also dem Glauben Raum gegeben werde,
ist es notwendig, daß alles was geglaubt wird, sich unsichtbar mache.
Er kann sich aber nicht gründlicher unsichtbar machen als unter dem
Gegensatz zur Empfindung und Erfahrung, wie er hier vorliegt. So zum Beispiel:
wenn Gott lebendig macht, tut er das, indem er tötet, wenn er gerecht
macht, tut er das, indem er schuldig macht, wenn er in den Himmel bringt,
tut er das, indem er zur Hölle führt, so wie die Schrift sagt
(1. Samuel 2, 6) . “Der Herr tötet und macht lebendig, führt
in die Hölle und wieder heraus”. [...] So verbirgt er seine ewige
Güte und Barmherzigkeit unter ewigem Zorn, Gerechtigkeit unter Ungerechtigkeit.
Hier liegt die höchste Stufe des Glaubens vor: zu glauben, daß
er gnädig ist, der so wenige rettet und so viele verdammt, zu glauben,
daß er gerecht ist, der durch seinen eigenen Willen uns notwendig
verdammenswert macht, so daß es scheint, wie Erasmus sagt, daß
er an den Qualen der Unglücklichen Gefallen habe und mehr Haß
als Liebe verdiene. Wenn ich also auf irgendeine Weise verstehen könnte,
wie dieser Gott barmherzig und gerecht sein kann, der so viel Zorn und
Ungerechtigkeit an den Tag legt, wäre der Glaube nicht nötig.
Jetzt, da es nicht begriffen werden kann, wird Raum, den Glauben zu entfalten,
indem solches gepredigt und allgemein bekannt gemacht wird, ganz wie, wenn
Gott tötet, der Glaube an das Leben im Tode geübt wird.”
[...]
“Deswegen soll nicht irgendjemand denken, Gott, wenn es von ihm heißt,
er verstocke oder wirke Böses in uns (denn verstocken bedeutet Böses
tun), handle so, als schaffe er von neuem Böses in uns, ebenso wie
wenn Du Dir einen bösartigen Schenkwirt vorstellst, der selbst böse
in ein nicht böses Faß Gift hineingießt oder mischt, wobei
das Faß nichts tut, als daß
es die Bösartigkeit dessen hinnimmt oder duldet, der es
so zurichtet. Denn man scheint sich einzubilden, daß der an sich
gute oder wenigstens nicht böse Mensch von Gott die böse Handlung
duldet, wenn man hört, daß wir sagen, Gott wirke in uns Gutes
und Böses und wir seien in reiner passiver Notwendigkeit dem wirkenden
Gott unterworfen. Sie bedenken nicht genügend, wie unaufhörlich
bewegend Gott in allen seinen Geschöpfen wirkt und keines untätig
sein läßt. Sondern so muß der es betrachten, wer überhaupt
irgendwie derartiges verstehen will, daß Gott in uns, das heißt
durch uns, das Böse wirkt, nicht durch Verschulden Gottes, sondern
infolge unseres Mangels, die wir von Natur böse sind. Gott ist aber
wahrlich gut, der uns mit seinem Wirken entsprechend der Natur seiner Allmacht
fortreißt, und nicht anders handeln kann, als daß er, der selbst
gut ist, mit den schlechten Werkzeugen Böses tut, wenngleich er auch
dies Böse seiner Weisheit entsprechend zu seiner Ehre und unserem
Heil wohl anwendet. So findet er den Willen des Satans böse, den er
aber nicht schafft, sondern der als Gott ihn verließ und der Satan
in Sünden fiel, böse wurde, packt ihn mit seinem Wirken an und
führt ihn, wohin er will, mit eben dieser göttlichen Wirkung,
wenn auch jener Wille nicht aufhört, böse zu sein.
Es bleibt also übrig, daß jemand fragt, warum Gott nicht
von der allmächtigen Wirkung abläßt, durch welche der Wille
der Gottlosen bewegt wird, böse zu sein und noch böser zu werden?
Darauf ist zu antworten: das heißt wünschen, daß Gott
um der Gottlosen willen davon ablasse, Gott zu sein. Denn wenn Du wünschst,
daß seine Kraft und Wirkung aufhöre, so bedeutet das, daß
er aufhören soll, gut zu sein, damit jene nicht böser werden.
Doch warum ändert er nicht auf einmal die bösen Willen, die er
bewegt? Das gehört zu den Geheimnissen der göttlichen Majestät,
wo seine Entscheidungen unbegreiflich sind. Und es ist nicht unsere Aufgabe,
das wissen zu wollen, sondern vielmehr, diese Geheimnisse anzubeten. Wenn
Fleisch und Blut hier Anstoß nimmt und murrt, so mag es ruhig murren;
es wird jedoch nichts ausrichten, Gott wird sich deswegen nicht wandeln.
Und wenn auch noch so viel Gottlose Ärgernis nehmen und sich abwenden,
die Auserwählten werden doch bleiben. Dasselbe wird jenen gesagt werden,
die fragen: Warum hat er es zugelassen, daß Adam fiel, und warum
schafft er uns alle mit derselben Sünde befleckt, während er
doch jenen hätte bewahren und uns anderswoher oder nachdem erst der
Samen gereinigt war, hätte erschaffen können? Er ist Gott, für
dessen Willen es keine Ursache noch Grund gibt, die ihm als Richtschnur
und Maß vorgeschrieben werden könnten, da es nichts gibt, das
ihm gleich oder über ihm ist, sondern sein Wille ist Richtschnur für
alle Dinge. Denn wenn es für ihn irgendeine Richtschnur und Maß
gäbe oder eine Ursache oder einen Grund, so könnte er bereits
nicht mehr Gottes Wille sein. Denn nicht deswegen, weil es ihm ziemt oder
ziemte so zu wollen, ist es richtig, was er will, sondern im Gegenteil:
weil er selbst so will, deswegen muß recht sein, was geschieht. Dem
Willen des Geschöpfes wird Ursache und Grund vorgeschrieben, aber
nicht dem Willen des Schöpfers, es sei denn, daß Du ihm einen
anderen Schöpfer vorziehen willst.”
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